Die phänomenologische Suche

Die graphische Transkription von empirischer Realität in einen Bestandsplan unterliegt nicht nur einer technisch notwendigen Abstraktion von Objekten, Dingen, Phänomenen in Zeichen und Symbolen, sondern beinhaltet auch eine unzählig große Zahl von Auslassungen und Weglassungen von Objekten, Dingen und Phänomenen – von Handlungen gar nicht zu sprechen. Nicht nur allein die Erfahrung an den Dingen verschwindet durch die Transkription, sondern unzählige Dinge selbst verschwinden und während im ersten Fall noch die Erfahrung im Zeichen "eingeschlossen" ist, d.h. die Möglichkeit einer Freisetzung  der Erfahrung an den Objekten gegeben ist, sind die Erfahrungen im zweiten Fall mit den Dingen für immer verschwunden. Eine solche Reduktion von Phänomenen ist notwendig, sie ist "förmlich" die Bedingung für die Herstellung eines Planes. Um so dringender muss vielmehr die Frage gestellt werden, nach welchen Kriterien entschieden wird, was Bestand hat und was nicht, welche Dinge und Phänomene aufgenommen und welche weggelassen werden.

Diese Frage stellte sich schon bei der Nachkriegskonzeption des Kulturforums, wo offensichtlich nur die Matthäuskirche in die Kategorie "Bestand" aufgenommen worden ist und alle anderen Stadt-Phänomene vernichtet worden sind. Der Kollektivplan von Hans Scharoun gibt darüber genaue Auskunft. Und die Frage stellt sich natürlich auch bei diesem

aktuellen Wettbewerb wieder, wo es neben einem Bestandsplan auch noch einen "Arbeitsplan" (s.u.) gibt, in dem alle vom Planverfasser als disponibel erachteten Phänomene ausradiert sind. Der gleiche Akt der "tabula rasa" wie nach dem Krieg, nur das diesmal ein paar mehr Objekte in die Kategorie "Bestand" aufgenommen worden sind.  


"Arbeitsplan" aus den Wettbewerbsunterlagen

Welche Kriterien hierbei ausschlaggebend waren, bleibt wieder einmal diffus: geschichtliche Spuren, Konzept der Stadtlandschaft, Organisationsfragen? Wenn sich die Gesellschaft offensichtlich nicht mehr auf klar definierte Kriterien einigen kann, muss man dann aber 

nicht auch so konsequent sein und auf alle formalen Setzungen in der Wettbewerbsausschreibung verzichten?  Es kommt darauf an, die Phänomene nicht schon im Vorfeld zu selektieren. Was da ist, ist da. Jedes Phänomen das an dem Ort in Erscheinung tritt, hat die Berechtigung, für eine Planung in Anspruch genommen zu werden. 

In diesem Sinne sind die im Bestandsplan nicht aufgeführten drei temporären Objekte – die zwei runden Festzelte und die gestapelten Baucontainer – im Zentrum des Kulturforums paradigmatisch als die zentralen Objekte des Entwurfes ausgewählt worden.

"Bestandsplan" ergänzt mit Baucontainer und Festzelten