Über das Vergnügen der Beschäftigung mit der Baukunst

Wie angenehm aber das Interesse an der Baukunst und die Beschäftigung damit ist, zeigt sich sowohl in anderem als auch darin, daß man niemanden finden dürfte, der nicht, sobald er nur die Fähigkeit besitzt, mit Leib und Seele darnach strebt, etwas zu erbauen. Und wenn er etwas zur Baukunst ersonnen hat, so kann er es mit bestem Willen nicht ertragen und muss es, wie durch natürlichen Antrieb, für die allgemeine Benützung preisgeben. Oft kommt es auch vor, daß wir, wenn wir auch mit anderen Sachen beschäftigt sind, es nicht unterlassen können, innerlich irgendein Bauwerk zu überdenken. Und haben wir ein fremdes Bauwerk uns angesehen, so mustern und prüfen wir sofort dessen Maße und überlegen nach unseren Geisteskräften, was man etwa wegnehmen, hinzufügen oder ändern könnte, und erwägen überdies, wodurch dies Bauwerk noch feiner gemacht werden könnte. Wenn aber etwas wohl angeordnet und richtig ausgeführt ist, wer dürfte das nicht mit größtem Vergnügen und höchster Freude ansehen?

LEON BATTISTA ALBERTI
      

ZEHN BÜCHER ÜBER DIE BAUKUNST

Die Reihenfolge der Darstellung

Die Reihenfolge der Darstellung wird folgende sein. Ich habe nämlich ersehen, daß ein Gebäude eine Art Körper sei, der wie andere Körper aus Linien und der Materie besteht. Die ersteren werden vom Geiste hervorgebracht, die letztere aber gewinnen wir aus der Natur. Für jene müssen wir Ver­stand und Erwägung, für diese die Zubereitung und die Auswahl anwenden. Doch mit keinem von beiden allein wird uns recht gedient sein, wie ich erfahren habe, wenn nicht auch die Hand eines erfahrenen Künstlers hinzutritt, um die Materie zu formen. Da jedoch die Gebäude verschiedenen Bedürfnissen dienen, so war dem nachzuforschen, ob dieselbe Austeilung der Zeichnungen für alle Bauwerke passe. Ich habe daher die Arten der Gebäude hervorgehoben, bei welchen es, wie ich sah, besonders auf den Zusammenhang und das Maß der Linien untereinander ankommt, woraus vor allem die Wirkung der Schönheit hervorgeht. Über die Schönheit habe ich deshalb meine Untersuchungen angestellt, was sie sei, und wie weit sie für jedes vonnöten ist.