"1978
taten sich sieben Künstler zusammen, um abseits der Institutionen und in außerkünstlerisch
vorgeprägten Räumen - zunächst in einer Fabrikhalle im vierten Stock der
Tiergartener Lützowstraße 2 - Arbeiten zu realisieren, die sich auf die
vorgegebene Situation einstellten.
Sie
bildeten keine Künstlergruppe, und sie wollten keine Kunstgalerie auf die Beine
stellen. Sie hatten lediglich den Wunsch, jeweils einmalig und vorübergehend
Rauminstallationen zu schaffen und Freunden zugänglich zu machen.
Ausschlaggebend war dabei die Absicht, sich in einem kunstfernen Ambiente mit
den Spuren derer ästhetisch auseinander zusetzen, die dort zuvor - ob Künstler
oder nicht - tätig gewesen waren. "Niemand kann sagen", formulierte einer
von ihnen, Hermann Pitz, damals, "wo hier die Kunst anfängt und wo das Leben.
Wer hat da an der Wand gekritzelt? Ein Künstler? Wer hat diese Nägel in so
einer Anordnung in die Wand geschlagen? Ein Künstler? Wer hat das Fenster dort
zerschlagen? Wer hat die Linie auf den Boden gemalt? Wer hat hier aus dem
Fenster geschaut?"
Räume
hieß die Ausstellung von 1978. Hermann Pitz kehrte die Geschichtlichkeit des
Kontextes hervor, indem er in Texten an den Wänden Mutmaßungen über das
anstellte, was hier vorher war, und indem er profane Installationsrelikte wie
Rohre und Zuleitungen mit Bleischriften versah, die das Zufällige als ästhetische
Behauptung ernstnahmen und interpretierbar machten. Wolfgang Koethe stellte und
legte die ausgehängten und dann heraldisch bemalten Türen in den Raum. Raimund
Kummer vermaß den Raum mit Latte, weißer Linie am Boden und schwarzer
Balkenbemalung nach seinen drei Dimensionen. Es
blieb nicht bei diesem einen Mal. 1979 schloss sich das Projekt Lützowstraße
Situation, das sich über acht Monate hinzog, in denselben Räumlichkeiten an.
Statt von Ausstellung spricht man von Situation, um so die Differenz anzudeuten:
Nicht Ausstellungen im kleinen sollten hier stattfinden, sondern Präsentationen
einer neuen orts- und situationsbezogenen Kunst. Vierzehn
Künstler waren nacheinander an der Lützowstraße Situation beteiligt. Jede
Arbeit blieb für vierzehn Tage, es folgte eine Woche Umbau. Das Konzept, eher
ein Regularium: Jeder lässt sich programmatisch auf den vorgegebenen Raum und
seine Besonderheiten ein
und setzt sich deshalb auch mit dem Werk seines Vorgängers
auseinander, der seinerseits nichts beseitigt; jedem Künstler ist freigestellt,
wie er mit den Relikten der Vorgänger umgeht.
So
begann also die Arbeit nicht in einem leeren, sondern in einem ästhetisch
bereits definierten Raum. Gesucht wurde, mit Destruktion und Aufbau, eine die
Geschichtlichkeit jedes Werkes respektierende Kontinuität: Fortsetzungsästhetik.
Die
Fenster im vierten Stock der Lützowstraße 2 gingen auf der einen Seite nach
Osten, auf der anderen Seite nach Westen hinaus. Daran knüpfte Hermann Pitz an.
In einer Fotoserie stellte er optische Relationen her, indem er Läden aus dem
Osten und aus dem Westen Berlins - Apotheke, Metzgerei, Buchhandlung,
Sparkasse - miteinander konfrontierte. Raimund Kummer baute einige Wochen später
sämtliche Heizkörper in den Räumen ab, spritzte sie mit roter Farbe (die auf
der Wand und Boden aggressiv blutfarbene Spuren hinterließ) und legte sie dann
aus. Darauf reagierten Boris Nieslony und Jörg Kalkreuther: Sie bockten...
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