"1978 taten sich sieben Künstler zusammen, um abseits der Institutionen und in außerkünstlerisch vorgeprägten Räumen - zunächst in einer Fabrikhalle im vierten Stock der Tiergartener Lützowstraße 2 - Arbeiten zu realisieren, die sich auf die vorgegebene Situation einstellten. Sie bildeten keine Künstlergruppe, und sie wollten keine Kunstgalerie auf die Beine stellen. Sie hatten lediglich den Wunsch, jeweils einmalig und vorübergehend Rauminstallationen zu schaffen und Freunden zugänglich zu machen. Ausschlaggebend war dabei die Absicht, sich in einem kunstfernen Ambiente mit den Spuren derer ästhetisch auseinander zusetzen, die dort zuvor - ob Künstler oder nicht - tätig gewesen Büro Berlin, Gesellschaftsraum, Berlin, Boeckhstraße 7, 1981 waren. "Niemand kann sagen", formulierte einer von ihnen, Hermann Pitz, damals, "wo hier die Kunst anfängt und wo das Leben. Wer hat da an der Wand gekritzelt? Ein Künstler? Wer hat diese Nägel in so einer Anordnung in die Wand geschlagen? Ein Künstler? Wer hat das Fenster dort zerschlagen? Wer hat die Linie auf den Boden gemalt? Wer hat hier aus dem Fenster geschaut?" Räume hieß die Ausstellung von 1978. Hermann Pitz kehrte die Geschichtlichkeit des Kontextes hervor, indem er in Texten an den Wänden Mutmaßungen über das anstellte, was hier vorher war, und indem er profane Installationsrelikte wie Rohre und Zuleitungen mit Bleischriften versah, die das Zufällige als ästhetische Behauptung ernstnahmen und interpretierbar machten. Wolfgang Koethe stellte und legte die ausgehängten und dann heraldisch bemalten Türen in den Raum. Raimund Kummer vermaß den Raum mit Latte, weißer Linie am Boden und schwarzer Balkenbemalung nach seinen drei Dimensionen. Es blieb nicht bei diesem einen Mal. 1979 schloss sich das Projekt Lützowstraße Situation, das sich über acht Monate hinzog, in denselben Räumlichkeiten an. Statt von Ausstellung spricht man von Situation, um so die Differenz anzudeuten: Nicht Ausstellungen im kleinen sollten hier stattfinden, sondern Präsentationen einer neuen orts- und situationsbezogenen Kunst. Vierzehn Künstler waren nacheinander an der Lützowstraße Situation beteiligt. Jede Arbeit blieb für vierzehn Tage, es folgte eine Woche Umbau. Das Konzept, eher ein Regularium: Jeder lässt sich programmatisch auf den vorgegebenen Raum und seine Besonderheiten ein und setzt sich deshalb auch mit dem Werk seines Vorgängers auseinander, der seinerseits nichts beseitigt; jedem Künstler ist freigestellt, wie er mit den Relikten der Vorgänger umgeht. So begann also die Arbeit nicht in einem leeren, sondern in einem ästhetisch bereits definierten Raum. Gesucht wurde, mit Destruktion und Aufbau, eine die Geschichtlichkeit jedes Werkes respektierende Kontinuität: Fortsetzungsästhetik. Die Fenster im vierten Stock der Lützowstraße 2 gingen auf der einen Seite nach Osten, auf der anderen Seite nach Westen hinaus. Daran knüpfte Hermann Pitz an. In einer Fotoserie stellte er optische Relationen her, indem er Läden aus dem Osten und aus dem Westen Berlins - Apotheke, Metzgerei, Buchhandlung, Sparkasse - miteinander konfrontierte. Raimund Kummer baute einige Wochen später sämtliche Heizkörper in den Räumen ab, spritzte sie mit roter Farbe (die auf der Wand und Boden aggressiv blutfarbene Spuren hinterließ) und legte sie dann aus. Darauf reagierten Boris Nieslony und Jörg Kalkreuther: Sie bockten...