Element,Medium und Form in der Systemtheorie

Die Unterscheidung Form/Medium ist von Fritz Heider, Ding und Medium, Symposium I (1926) vorgeschlagen worden und von ihm zunächst für die Wahrnehmungsmedien des Sehens und Hörens ausgearbeitet worden. Heider hat die Unterscheidung benutzt, um die Wahrnehmung von Objekten zu erklären, die mit dem Körper nicht direkt in Kontakt stehen - wie z. B. die visuelle oder die akustische Wahrnehmung. Laut Heider ist diese Wahrnehmung dank eines Mediums (Licht oder Luft) möglich, das selbst nicht wahrgenommen wird, aber die Eigenschaften des betreffenden Objekts (die Formen) übermittelt, ohne sie zu verändern: unter normalen Bedingungen werden nicht das Licht oder die Luft wahrgenommen, sondern die von ihnen übermittelten Bilder oder Laute. Die Systemtheorie hat diese Gedanken aufgenommen und weiterentwickelt, um die "für jede dingorientierte Ontologie zentrale Leitunterscheidung" (Luhmann, 1995, S.165) Substanz/Akzidenz oder Ding/Eigenschaft zu ersetzen.

In der Systemtheorie sind demnach Elemente Einheiten, die von einem beobachtenden System konstruiert werden, z.B. Worte in einem Text. Sie sind angewiesen auf Kopplungen und als pure Selbstreferenzen würden sie unsichtbar sein, da man sie nur mit Hilfe von Unterscheidungen

beobachten kann. Bilden Elemente eine lose Kopplung untereinander aus, spricht man von einem Medium. Das Medium ist also eine offene Mehrheit von Verbindungen, die mit der Einheit eines Elementes noch kompatibel sind, also etwa die Zahl der sinnvollen Sätze, die mit einem sinnidentischen Wort gebildet werden können.

Bilden sich in einem Medium feste Kopplungen von Elementen heraus, spricht man von Form. Ein bestimmter Satz ist eine mögliche Form im Medium der Wörter. Erst durch die Formbildung in einem Medium wird das Medium erkennbar. Formen sind immer stärker, also durchsetzungsfähiger als das Medium selbst. Das Medium setzt ihnen keinen Widerstand entgegen - so wie Worte sich nicht gegen Satzbildung sträuben können. Weil das Medium aber nur eine lose Kopplung benötigt, ist es stabiler als die Form. Die Form muss ihre Durchsetzungsfähigkeit mit Instabilität bezahlen.

Da Elemente ihrerseits immer auch Formen in einem anderen Medium sind - z.B. sind Worte Formen im Medium der Akustik - und also Medien aus immer schon geformten Elementen gebildet werden, ergeben sich Möglichkeiten eines evolutionären Stufenbaus von Medium/Form-Verhältnissen: "Im Medium der Geräusche werden durch starke Einschränkung auf kondensierbare (wiederholbare) Formen Worte gebildet, die im Medium der Sprache zur Satzbildung (und nur so : zur Kommunikation)

verwendet werden können. Die Möglichkeit der Satzbildung kann ihrerseits wieder als Medium dienen - zum Beispiel für Formen, die man als Mythen, Erzählungen oder später, wenn das Ganze sich im optischen Medium der Schrift duplizieren lässt, auch als Textgattungen und als Theorien kennt. Theorien wiederum können im Medium des Wahrheitscodes zu untereinander konsistenten Wahrheiten gekoppelt werden, zu Formen also, deren Außenseite der Bereich der untereinander nicht konsistenten Unwahrheiten wäre" (Luhmann, 1995, S.172).