DAS HAUS ALS KLEINE STADT - LEON BATTISTA ALBERTI

Auszüge aus: Leon Battista Alberti, Zehn Bücher über die BaukunstDas Verhältnis von Architektur und Stadt oder von Haus und Stadt beschreibt Leon Battista Alberti in seinem 1485 erschienenen Buch "Zehn Bücher über die Baukunst" als eine wechselseitige Beziehung. Sein Denkprinzip kann als ein dialektisches bezeichnet werden, das immer in bzw. mit Widersprüchen arbeitet. Er versucht zwischen den Gegensätzen einen Idealzustand zu finden, der sowohl von dem einen als auch von dem anderen etwas beinhaltet. Die Welt wird als eine aus abgewogenen Kräften bestehende gedacht und artikuliert, und in dieses Weltbild hat sich auch die Architektur einzufügen. Zentraler Begriff in dieser Theorie ist der Schönheitsbegriff, die concinnitas: "... die Schönheit (ist) eine bestimmte gesetzmäßige Übereinstimmung aller Teile, was immer für eine Sache, (..) die darin besteht, daß man weder etwas hinzufügen noch hinwegnehmen oder verändern könnte, ohne sie weniger gefällig zu machen" (VI,2,S.293). Dieses Gefühl des Ideals von Schönheit ist nach Alberti eine menschliche Grundkonstante: "Dass Du aber über die Schönheit urteilst, das bewirkt nicht eine Vermutung, sondern eine gewisse innere angeborene Einsicht" (IX,5,S.491). Mit dem Versuch der Bestimmung des eigenen Ideals 

zeigt sich die aufklärerische Geste der Renaissance.

Für Alberti ist die Architektur eine soziale Kunst, ein Apparat sowohl für das Individuum als auch für die Gemeinschaft. Das Haus dient sowohl dem Individuum als auch der Repräsentation, der symbolischen Teilhabe am gemeinschaftlichen Leben. Architektur wird also nicht von der Seinsseite betrachtet, sondern es wird gefragt, welche Wirkung ein Haus in der Stadt haben kann, was es zur Sprache bringen kann. Diese Resonanztheorie besagt, daß von den Bauten in der Stadt etwas abstrahlt, entsprechend der Schönheitswirkung des menschlichen Körpers.

Alberti versuchte als erster die Einheit der Differenz von Haus und Stadt zu überwinden, indem er einfach "das Haus als kleine Stadt" (V,14,S.262) thematisierte. Dieser re-entry hatte folgende funktionale Bewandtnis: Indem Alberti den Unterschied von Haus und Stadt in das Haus selber hinein kopierte, konnte er nun von einer häuslichen Seite des Hauses und einer städtischen Seite des Hauses sprechen. Interessanterweise verband Alberti diese Unterscheidung mit der Unterscheidung von Schließung und Öffnung. Dies wird im Kern Albertis Architekturtheorie deutlich, wenn er sechs Elemente der Architektur unterscheidet:

"Es steht also fest, daß die gesamte Baukunst auf sechs Elementen beruht. Diese sind: die Gegend, der Grund (die Baustelle), die Einteilung (Grundriss), die Mauer, die Decke und die Öffnung" (I,2,S.21).

In diesen sechs Elementen stimmen alle Häuser überein, aber in dieser Aufzählung wird auch wieder das Denken in Gegensätzen bei Alberti deutlich: Das Haus entsteht durch eine Reihe von Begrenzungen (Gegend - Grund – Einteilung – Mauer - Decke) und dann in der Entgrenzung (Öffnung). Erst das Wechselverhältnis oder anders formuliert die Differenz von Schließung und Öffnung lassen Architektur entstehen. Alberti legt dabei sehr viel mehr Wert auf die Abschirmungen Decke und Wand als auf den Raum. Der Raum wird für Alberti erst durch die Abschirmungen (Wand und Decke) gebildet, d.h. der Raum ist nur das Medium des Mediums der Architektur. Und er geht noch weiter, denn die Abschirmungen sind die den Menschen zu einer Gemeinschaft zusammenfassenden Elemente: "Es gab Leute , die sagten, daß das Wasser oder das Feuer die Anfänge boten, auf Grund deren sich die menschliche Gesellschaft bildete. Wenn ich aber die Nützlichkeit und Notwendigkeit von Decke und Wand betrachte, so werde ich natürlich davon überzeugt sein, daß diese in viel höherem Grade dazu beigetragen haben, die Menschen zu vereinigen und zusammenzuhalten"(Vorrede,S.10).