Als historisches Beispiel dient Rossi u.a. die Umwandlung der Amphitheater in Nimes und Arles in Festungen: "Das beweist unter anderem, daß die Bedeutung mancher städtebaulicher Phänomene von dem Flächeninhalt einer Stadt unabhängig ist. Ein Amphitheater hat eine spezifische Gestalt und eine bestimmte Funktion. Es ist nicht als ein beliebiger Behälter gedacht, sondern ist von einer unverwechselbaren Struktur, Architektur und Gestalt. Aber durch ein äußeres Ereignis, eine der dramatischsten Phasen der Menschheitsgeschichte, wird seine Funktion verändert: Das Theater verwandelt sich in eine befestigte Stadt." (S.75).

 Arles, mittelalterliche Stadtanlage innerhalb der Mauern des antiken Amphitheaters

Im Gegensatz dazu gibt es die sekundären Elemente, die privaten Wohnbauten der Wohngebiete, die durch eine ständige Veränderung gekennzeichnet sind. Dies sind die amorphen Bereiche der Stadt, wo gerade Wandlungsprozesse stattfinden. Diese Veränderungen können sich auswirken sowohl auf die Funktion (Revitalisierung von Brachflächen) oder auf die Form (Umbauten oder Erneuerungen der Bausubstanz). In den 

einzelnen Quartieren behalten einige Elemente jedoch ihre Eigenschaften, so daß die von ihm formulierte Theorie der Permanenz zur Anwendung kommt. Sie wird durch die Morphologie allerdings erst richtig ins Bewusstsein gerückt. Denn Veränderungen werden erst durch den sukzessiven Kontrast vom "Vorher" zum "Nachher" wahrnehmbar. Das Baudenkmal erhält während dieser vielen Veränderungen Erinnerungswert, wird zu einem Bedeutungsträger.

Neben dem Permanenzgedanken ist der Begriff der Typologie bei Rossi und vielen folgenden Architekten entscheidend: "Ausgehend von dem Begriff des Typus kann man eine korrekte Klassifizierung städtebaulicher Tatbestände und schließlich sogar eine Klassifizierung nach Funktionen vornehmen, soweit diese in der Definition des Typus enthalten sind" (S.32). Typus hat demnach nichts mit einer Form zu tun, sondern er verkörpert das eigentliche Wesen der Architektur. Es handelt sich um eine Form, die nicht sichtbar ist, und eine Funktion , die beliebig austauschbar ist. Die Architektur befreit sich von gestalterischen und programmatischen Vorgaben und kann aus sich selbst heraus entwickelt werden. Während ein Typus einen eher abstrakten Charakter habe, sei ein Modell dagegen schon sehr konkret. Rossi zitiert dafür den Architekturtheoretiker Quatremère de Quincey: "Das Wort Typus bezieht sich nicht so sehr auf das Bild einer zu kopierenden oder vollständig nachzuahmenden Sache als auf eine Idee, die dem Modell als 

Regel dient... Das künstlerische Modell dagegen ist ein Objekt, das so, wie es ist, wiedergegeben werden muss. Im Gegensatz dazu ist der Typus etwas, aufgrund dessen Werke konzipiert werden können, die einander überhaupt nicht ähnlich sehen. Beim Modell ist alles präzis und vorgegeben, beim Typus bleibt alles mehr oder minder unbestimmt" (S.27).

Wenn die Stadt als ein Ganzes verstanden wird, das sich selbst erbaut, erklärt sie sich auch durch ihre Elemente, ihre Struktur, d.h. durch ihre Architektur. Anthony Vidler bezeichnete diese Sicht auf die Stadt und die Architektur in einem 1978 erschienen Artikel als " Dritte Typologie". Bei der ersten Typologie rechtfertigten die Architekten seit Mitte des 18. Jahrhunderts ihre Produktion mit der Zurückführung der Architektur auf ihre Ursprünge in der Natur – das Modell war die primitive Hütte. Die zweite Rechtfertigung entstand als Resultat der Industriellen Revolution und band die Architektur in die Welt der Maschinenproduktion ein. Die dritte Typologie entsteht nun aus dem Gefühl, "daß die einmalige Produktion und ihre Ergebnisse aus der Architektur selbst zu erklären sei. (...) Wir möchten als grundlegendes Merkmal dieser Typologie weder die Parteinahme für eine abstrakte Natur kennzeichnen, noch die für eine technische Utopie, sondern die Rückbesinnung auf die traditionelle Stadt" (Dritte Typologie, S.109).

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