DER MALERISCHE STÄDTEBAU - CAMILLO SITTE

Camillo Sittes Schrift "Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen" von 1889 ist vor den städtebaulichen Entwicklungen des 19. Jahrhunderts zu sehen. Sie stellt eine Kritik an diesem modernen Städtebau dar, der nach Sitte, v.a. durch das Streben nach Symmetrie und abstrakter Ordnung durch eine genormte Plankunst, nur eine moderne Langweiligkeit und ein monotones Häusermeer hervorbringt. Sitte bestreitet nicht die Notwendigkeit von technischen Neuerungen im Städtebau, sondern klagt vielmehr ein, daß es neben dieser technischen Seite auch immer eine künstlerische Seite gibt: "Im allgemeinen aber kann beobachtet werden, daß einer einhelligen ehrenvollen Anerkennung dessen, was in technischer Richtung in bezug auf den Verkehr, auf günstige Bauplatzverwertung und besonders in bezug auf hygienische Verbesserungen Großes geleistet wurde, eine fast ebenso einhellige, bis zu Spott und Geringschätzung gehende Verwerfung der künstlerischen Misserfolge des modernen Städtebaues entgegensteht" (Sitte 1889,S.VII).

Dabei orientiert sich Sitte nicht an weiteren technischen Problemstellungen, sondern am Stadt-Bild. Er unterstreicht die Wirkung der einzelnen Stadtelemente, wobei er sich an alten Platz- und Stadtanlagen, die er in Österreich, Deutschland, Italien und Frankreich selbst gesehen und  

skizziert hat, orientiert und versucht daraus einige Regeln zu erschließen:"Da schien es denn angezeigt, einmal den Versuch zu wagen, eine Menge schöner alter Platz- und überhaupt Stadtanlagen auf die Ursachen der schönen Wirkung hin zu untersuchen, weil die Ursachen, richtig erkannt, dann eine Summe von Regeln darstellen würden, bei deren Befolgung dann ähnliche treffliche Wirkungen erzielt werden müssten" (Sitte 1889,S.VII).

Das Ideal seiner Vorstellungen bilden die antiken Foren. Auch wenn sich die Nutzung des öffentlichen Raumes mit der Zeit verändert hat, indem alle antiken öffentlichen Versammlungsorte unter freiem Himmel verortet waren und nun ein Trend zur Abwanderung solcher Funktionen in geschlossene Gebäude festzustellen ist (Stichwort: Markthallen), sind schon hier drei wichtige Regeln für eine wirkungsvolle Platzgestaltung zu finden:

1.Strenge Abgeschlossenheit des Raumes

2.Einmündung von Straßen so beschränken, daß die Geschlossenheit des Raumes nach Art eines Festsaales nicht beeinträchtigt wird

3.Freihalten der Mitte


Das Forum Romanum der frühen Kaiserzeit

Wenn für Sitte "das Forum für die ganze Stadt dasselbe, was für ein einzelnes Familienhaus das Atrium ist, der wohleingerichtete, gleichsam reich möblierte Hauptsaal" (Sitte 1889,S.10) ist, so erscheint hier Albertis Metapher von dem Haus als kleine Stadt wider.

Camillo Sittes Arbeitsmethode bildet die Figur-Grund-Untersuchung. Die Frage nach der Wirkung des Objektes im Raum wird fast ausschließlich in der Grundrissebene abgehandelt, und es ergeben sich folgende typischen Pläne:

Würzburg            Konstanz