Obwohl Venturi sein Buch "Komplexität
und Widerspruch in der Architektur" zeitgleich mit Rossis "Die
Architektur der Stadt" 1966 veröffentlichte, zeigen sich doch in der
Arbeitsweise eher mit Colin Rowe und Fred Koetter Ähnlichkeiten, die ja erst
1978 - sechs Jahre nach Venturis zweiter großer Veröffentlichung zusammen mit
Scott Brown und Izenour "Lernen von Las Vegas - Zur Ikonographie und
Architektursymbolik der Geschäftsstadt" - "Collage City"
veröffentlicht haben.
Beide - sowohl Venturi als auch
Rowe/Koetter - vertreten eine pluralistische und antimonistische Sichtweise.
Beide verspüren die "Verpflichtung auf das schwierige Ganze", eine
Verpflichtung, die sich auch bei Alberti in seinem concinnitas-Konzept
wiederfindet. Beide sind anti-utopisch und teilen nicht den ungebrochenen
Fortschtrittsglauben und die Verheißungen der Moderne. Sie beziehen sich beide
bei der Argumentation auf die Spätrenaissance, wobei die Argumentation v.a.
bildlich und in Gegenüberstellungen durchgeführt wird. Beide sind sich einig
in der Überbewertung des Raumes und des Objektes in der modernen Architektur,
und beide reden von der "Krise des Objektes".
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Die Krise des Objektes besteht bei
Venturi darin, daß die Körpersprache der modernen Architektur nicht mehr in
einer Welt verstanden werden kann, die nur mehr durch Zeichen organisiert und
kommuniziert wird. Durch die einseitige Bevorzugung der Kategorie "Raum"
und der Entledigung "einer ikonographischen Tradition, in der Malerei,
Bildhauerei und Graphik in und zusammen mit der Architektur wirkten" (Las
Vegas, S.17), ist der modernen Architektur ihre Zeichenhaftigkeit und ihr
symbolischer Gehalt abhanden gekommen. Die moderne Architektur war schließlich
nur noch Zeichen ihrer selbst: "Die Bedeutung sollte nur durch die ureigene
physiognomische Charakteristik der Form mitgeteilt werden. Die Schöpfung
architektonischer Form sollte ein in sich logischer Prozess sein, unbeeinflusst von den Bildungen vergangener Erfahrungen, bestimmt durch die Setzungen des
und der Konstruktion" (Las Vegas, S.18). Venturi ist jedoch ganz
wie Rossi der festen Überzeugung, "daß die Wahrnehmung und ebenso der
Entwurf von Architektur auf vorhergegangene Erfahrung und daraus gespeiste
Assoziationen angewiesen sind, ferner, daß diese symbolischen, Anderes
repräsentierenden Elemente oftmals der Form, Konstruktion und Nutzung
widersprechen, mit denen sie am gleichen Gebäude zusammentreffen" (Las
Vegas, S.104).
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Diesen Widersprüchen geht Venturi
in den beiden wichtigsten Erscheinungsformen nach:
Da,
wo die architektonische Dimension von Raum, Konstruktion und Nutzung
durch eine alles zudeckende symbolische Gestalt in ihrer Eigenständigkeit
aufgelöst und bis zur Unkenntlichkeit verändert werden und das Haus zu
einer Skulptur wird, spricht Venturi von der "Ente".
Da, wo Raum und Struktur direkt
in den Dienst der Nutzung gestellt und Verzierungen ganz unabhängig davon nur
noch äußerlich angefügt werden, spricht Venturi vom "dekorierten
Schuppen".
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