Musikanalogien in der Architekturtheorie

Architektur mit Hilfe von Musikanalogien oder Musikmetaphern zu beschreiben, hat eine lange Tradition in der Architekturtheorie. Ausgehend von den Neu-Platonikern in der Renaissance, die in den musikalischen Harmonieverhältnissen Proportionsgesetze für das Bauen sahen, über (natürlich!) Goethe und , der in seinem Buch "Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen" von 1889 die Stadt als eine ganz im Wagnerschen Sinne beschrieb bis zum Beginn der Moderne, als Paul Valéry in seinem Buch "Eupalinos oder Der Architekt" Phaidros sagen lässt: "Sag mir (da du so empfänglich bist für die Wirkungen der Architektur), hast du nicht beobachtet, wenn du dich in dieser Stadt ergingst, daß unter den Bauwerken, die sie ausmachen, einige stumm sind; andere reden; und noch andere schließlich, und das sind die seltensten, singen sogar?" (Valéry 1923,S.56/57).

Popmusik

In der folgenden Untersuchung soll nun Popmusik als Folie dienen, sich dem architektonischen Entwurfsprozess anzunähern. Es geht also nicht um eine Poparchitektur, wie sie schon des öfteren in Büchern publiziert wurde, sondern um eine Untersuchung der Produktionsstrategien von Popmusik – Pop verstanden als Konzept. Dabei beziehe ich mich

in wesentlichen Teilen auf die Ausführungen von Ulf Poschardt  zur Popmusik in seinem im (Band 134) erschienenen Artikel "Welcome to the Realworld - Warum der Realismus weiterhin die einzig fortschrittliche Kunstform ist".

Nach R&R, Punk und Disco wird spätestens in den 80er Jahren Popmusik selbstreflexiv. Guter Pop wurde zu ungewollter Intellektualisierung verholfen und guter Pop besaß konzeptuelle Stringenz. Die Bewusstwerdung des Pop hat dem Pop erstaunlicherweise nichts von seiner Kraft geraubt. Die rebellische Unmittelbarkeit ist kombiniert worden mit einer funktional ausgerichteten Selbstreflexion, die die Konzeption der eigenen Produktion öffnet. Die historische Einschätzung der eigenen Arbeit zum Beispiel in Best-of-Alben demonstrierte einen Abstand zum eigenen Werk, der meist im Grundsatzentwurf des Bandprojekts grundgelegt war. Zum einen sind diese Alben sicherlich Ausdruck eines regen Interesses der Plattenindustrie und der Popkonsumenten für solche Produkte, auf der anderen Seite sind diese Platten für die angesprochenen Bands willkommene Möglichkeiten der eigenen Geschichtsschreibung. Da werden Hits unaktualisiert, digital abgemischt in das Mixalbum aufgenommen, da werden Irrtümer in Songtexten aktualisiert, da werden Skizzen und Variationen von Hits präsentiert oder gar die in Auftrag gegebenen Remixe der eigenen Arbeiten vorgestellt.

Remix

Worin bestehen aber nun die Unterschiede zwischen der traditionellen Werkschau eines Best-of-Albums und einem Remix-Longplayer genau? Drei Fragen sollten dazu berücksichtigt werden:

1. Die Frage der Überarbeitung, d.h. wie wird das Material überarbeitet?

2. Die Frage der Auswahl, d.h. wie wird das Material ausgewählt?

3. Die Frage der Ordnung, d.h. wie wird das neue Material geordnet?

In der einfachsten Form der traditionellen Werkschau eines Best-of-Albums  werden die Singles in der Originalversion auf den Longplayer gespielt, so daß eine Überarbeitung bestenfalls in der technischen Qualität durch ein "digitales Abmischen" stattfindet. Als Auswahlkriterien reichen hierfür die Verkaufszahlen der einzelnen Singles völlig aus Da an den Songs keine substantiellen Veränderungen vorgenommen worden sind, ist die Frage der Ordnung beliebig: der Einfachheit halber wird man sich für eine chronologische Ordnung entscheiden.