REMIX
"Doch
halt: gab es denn Rueckkehr, Rueckgriff und Zitat nicht immer schon? Schon
Renaissance, Romantik und Historismus waren in ihren je verschiedenen Weisen
von Rueckwaertsgewandtheit hoechst innovativ. Die Mode schliesslich ist ein
Formenspiel, das nicht anders kann, als sich selbst zu zitieren, zu
rekombinieren und als neu auszugeben. Jede lebendige Kultur, so koennte man
dem gesellschaftskritischen Dekadenzbefund entgegenhalten, hat ihr Zentrum im
kollektiven Gedaechtnis ihrer selbst. Und dieses Gedaechtnis ist nicht als
totes Archiv zu denken, sondern als stets neu zu leistende Aktualisierung,
Umdeutung, Aneignung. Kultur und Geschichte sind kein Besitz, den man im
Ruecken hat, wenn man sich der Innovation zuwendet; sie sind vielmehr die
Praxis, alte Stoffe neu zu verarbeiten und so am Leben zu erhalten. Modern und
reflexiv kann eine Kultur nur sein im Bezug auf das, was sie war. So besehen
waere Retro nicht die neueste Version vom Untergang der Kultur, vielmehr ihr
ueberzeitliches Betriebsgeheimnis. Ein neuer Name bloss fuer die gesteigerte
Kompetenz zur reflexiven Aktualisierung von Kulturguetern. (...) "Remix,
remake, remodel", der Songtitel von Roxy Music bringt das Programm von
Retro auf den Punkt. Im Zeitalter der vollen Archive und totalen
Verfuegbarkeit ist originelle Neuschoepfung weniger bedeutsam als Auswahl und
Praesentation. Der DJ, der Musik nicht mehr komponiert, sondern selektiert,
samplet, mischt und so aktualisiert, ist zur Leitfigur unserer Epoche
geworden. Der Avantgardist von heute ist ein gewitzter Archivar, ein Meister
der Rekontextualisierung" (NZZ, 20.03.00).
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