Dafür gibt es nun sehr verschiedene basale Operationen, die jeweils rekursivgeschlossene Systeme bilden, indem sie Organisation und Struktur ihrer Autopoiesis gegen eine Umwelt differenzieren, die aus der selbstreferentiellen Operationsweise des Systems ausgeschlossen ist. Das geschieht entweder (1) durch die Operationsweise des Lebens oder (2) durch die Operationsweise des Bewusstseins (Gedanken) oder (3) durch die Operationsweise der Kommunikation. Entsprechend bilden sich in jeweils für sie spezifischen Umwelten (1) lebende Systeme, (2) psychische Systeme und (3) soziale Systeme, und zwar jeweils als geschlossene Systeme mit einer eigenen Autopoiesis und mit Strukturen, die nur intern und nur durch das System selbst spezifiziert werden können. Das Resultat dieser Selbstselektion von Strukturen ist (1) die Vielfalt der Arten, (2) die Vielfalt der Individuen, (3) die Vielfalt der sozialen Systeme auf der Grundlage einer jeweils sehr einfach zu beschreibenden autopoietischen Grundoperation.

Alle autopoietischen Systeme sind also durch eine operative Schließung gekennzeichnet. Mit diesem Begriff wird die Tatsache bezeichnet, daß die Operationen, welche zur Produktion neuer Elemente eines Systems führen, von früheren Operationen desselben Systems abhängig und Voraussetzung für folgende Ope­rationen sind (Selbstreferenz). Diese Schließung ist die Grundlage der Autonomie des betreffenden Systems und ermöglicht die Unterscheidung von seiner Umwelt. Im Fall eines lebenden Systems

sind die zur Produktion einer neuen Zelle führenden Transformationen ausschließlich interne Transformationen auch wenn die Reproduktion der Elemente des Organismus dabei zellexterne Materialien (die zu verarbeitenden organischen Moleküle) benutzt: Es gibt keine Produktion von Zellen außerhalb eines lebenden Organismus. Dasselbe gilt für die anderen Typen autopoietischer Systeme: Die Operationen eines sozialen Systems - die Kommunikationen - sind das Ergebnis früherer Kommunikationen und lösen ihrerseits weitere Kommunikationen aus. Die Einheit eines sozialen Systems beruht ausschließlich auf der rekursiven Vernetzung der Kommunikationen und nicht zum Beispiel auf den psychischen Prozessen der teilnehmenden Bewusstseinssysteme oder gar der Organismen. Auch die Operationen eines psychischen Systems - die Gedanken - reproduzieren sich unaufhörlich aufgrund anderer Gedanken und reflektieren direkt weder organische noch kommunikative Prozesse. Nur ein Bewusstsein kann denken (es kann aber seine Gedanken nicht in ein anderes Bewusstsein überführen; dazu muss es sich auf Kommunikation einlassen). Leben, Bewusstsein und Kommunikation sind getrennte Ebenen der Autopoiesis, mit je eigener Autonomie.

 

 

Der Begriff der operativen Schließung ist eine Folge der These, daß kein System außerhalb seiner Grenzen operieren kann. Jedes System hat natürlich eine Umwelt und bleibt über eine sogenannte strukturelle Kopplung auf eine Kompatibilität mit ihr angewiesen: Würde zum Beispiel die Teilnahme der Bewusstseinssysteme fehlen, könnte ein soziales System sich nicht mehr reproduzieren. Auf der Ebene der Konstitution seiner Elemente operiert jedoch das System ausschließlich im "Selbstkontakt" - es bezieht sich also ausschließlich auf das Netzwerk seiner eigenen Operationen

Niklas Luhmanns Hauptuntersuchungsgegenstand sind nun die sozialen Systeme mit der Absicht, eine umfassende Theorie der Gesellschaft zu schreiben. Dabei geht Niklas Luhmann von einer funktionalen Ausdifferenzierung der moderne Gesellschaft aus. Innerhalb des Gesellschaftssystems entstehen weitere autopoietische Systeme, deren jedes eine spezifische Operationstypik reproduziert — das heißt eine spezifische Kommunikationsweise —‚ welche nur in diesem System auftritt. Dadurch wird eine weitere Grenze zwischen System und Umwelt gezogen, diesmal innerhalb des Systems. In der modernen Gesellschaft gibt es zum Beispiel mehrere Funktionssysteme, deren jedes die ihm zugehörigen Kommunikationen von anderen gesellschaftsinternen Kommunikationen mit Hilfe der Orientierung an einem spezifischen Code unterscheidet. Die Wissenschaft schließt zum Beispiel nur an dem Code wahr/unwahr orientierte Kommunikationen ein, die sich mit Hilfe anderer,