Dabei soll weder die Bedeutung des Ornaments als Ausdruck der Perfektion der geschaffenen Welt, die es bis zur Frührenaissance innehatte, noch soll die Bedeutung des Ornaments als Unterscheidung von der natürlichen Schönheit als Schmuck und Verzierung, die ihm seit der Renaissance zugesprochen wurde, in Anspruch genommen werden. Auch muss uns an dieser Stelle nicht die aus der Systemtheorie selbst hergeleitete Bedeutung des Ornaments als preadaptive advance für das Kunstsystem interessieren.

 

Bandverflechtung aus dem Evangeliar von Lindisfarne, Northumberland, England. Um 698 v. Chr.
[Abb.1]


Das Ornament soll hierbei, wie bei allen anderen Aspekten meiner Arbeit ganz allgemein als die Grundform des Entwickelns von Formen aus Formen verstanden werden.

Ornamente sind in diesem Sinne Rekursionen, Rückgriffe und Vorgriffe, die sich als solche fortsetzen. Sie lassen die Einheit von Redundanz und Varietät erscheinen. Dabei werden die Übergänge unkenntlich gemacht, zumindest nicht als Brüche betont, denn jede Stelle im Ornament ist zugleich die andere einer anderen. Immer ist der laufende Anschluss das Prinzip. Das Ornament erzeugt seinen eigenen imaginären Raum durch eine laufende Verwandlung von Formgrenzen in mehrdeutige Übergänge. Dabei liegt in der Sequenz von Operationen immer schon ein Trend zur "Morphogenese". Von hier aus gesehen wird die erreichbare Formenkomplexität des Ornaments zu einer wichtigen, ja zur entscheidenden Variable. Die jeweils andere Seite jeder Form erfordert Entscheidungen über Formen mit erneut anderen Seiten, so dass es zum Problem wird, wie viel Verschiedenheit noch durch rückläufige Stimmigkeit eingezogen und kontrolliert werden kann. ORNAMENTALES ENTWERFEN greift diese Strukturmerkmale auf und versucht, darauf aufbauend, eine Entwurfstheorie zu entwickeln.

Wenn der Erläuterungsbericht, wie oben angedeutet, den ornamentalen Charakter der Diplomarbeit an sich selbst aufzeigen soll, so drängt sich die Gliederung in eine Sequenz von drei Operationen auf: Rückgriff - Durchführung - Vorgriff. In dem ersten Schritt, dem Rückgriff, möchte ich anhand von Kurzkritiken zu drei Büchern verschiedener Autoren zeigen, wo meine Diplomarbeit inhaltlich und formal Anknüpfungspunkte gefunden hat. In einem zweiten Schritt, der Durchführung, geht es darum zu zeigen, was sich daraus entwickelt hat, d.h. wie sich die Diplomarbeit zu diesem Zeitpunkt präsentiert. Der dritte Schritt ist schließlich dem Vorgriff gewidmet, d.h. hier möchte ich kurz mögliche Anknüpfungspunkte andeuten, die die Diplomarbeit für weitere Projekte, Fragestellungen etc. bereitstellt.

 

Methode zur Produktion von Flecht- und Knotenmuster aus der piktischen Kunst. Schottland. 8. Jh. n. Chr.
[Abb.2]