ALDO  ROSSI  -   WISSENSCHAFTLICHE SELBSTBIOGRAPHIE
        

"ICH HABE mit diesen Aufzeichnungen vor etwa zehn Jahren begonnen und versuche sie jetzt zu einem Ende zu bringen, damit daraus keine Memoiren werden. Von einem bestimmten Punkt des Lebens an habe ich den Beruf oder die Kunst als eine Beschreibung von Dingen und unserer selbst angesehen; aus diesem Grunde habe ich stets Dantes Commedia bewundert, die er etwa um sein dreißigstes Jahr zu schreiben beginnt. Mit dreißig Jahren sollte man etwas Endgültiges anfangen, mit dem man seinen eigenen Bildungsgang klärt. Alle meine Zeichnungen oder Schriften schienen mir in einem doppelten Sinne endgültig: Sie schlossen meine Erfahrungen ab; darüber hinaus hatte ich nichts weiteres zu sagen.

Jeder Sommer ist mir als der letzte erschienen; und dieses Motiv des Endgültigen mag viele meiner Entwürfe erklären. Um jedoch die Architektur zu begreifen, muss ich die Dinge und die Empfindungen wiederholen, sie beschreiben oder doch nach einer Möglichkeit ihrer Beschreibbarkeit suchen.

Der wichtigste Bezugspunkt ist sicher die Wissenschaftliche Selbstbiografie von Max Planck. In diesem Buch wendet sich Max Planck zu den Entdeckungen der modernen Physik zurück und erinnert sich an den Eindruck, den ihm die Formulierung des Gesetzes von der Erhaltung der Energie machte. Dieses Gesetz schien ihm stets verbunden mit einer Schilderung seines Schullehrers Müller: diese handelte vom Maurer, der unter großem Kraftaufwand einen Steinblock auf ein Hausdach hebt. Planck beschäftigte die Tatsache, dass die verausgabte Arbeit nicht verloren ist; sie bleibt für viele Jahre uneingeschränkt im Steinblock latent erhalten, bis sich dieser eines Tages vielleicht löst, auf den Kopf eines Passanten fällt und diesen tötet.

Pantheon in Athen
[Abb.3]