Zentraler Ort, an dem Schließung und Öffnung aufeinander prallen, ist dann natürlich die Wand. Im Gegensatz zu Vitruv, lässt Alberti auch die Säule aus der Wand entstehen: "So nenne ich sie (die Säule) vielleicht nicht unpassend einen festen und ununterbrochenen Teil einer Mauer"(I,10,S.51). Besonders reizvoll wird für Alberti die Öffnung einer Wand, wenn sie keine wirkliche Öffnung ist: "Eine Öffnung ist ihrer Natur nach durchgängig; doch manchmal dient eine Mauer der anderen, wie der Pelz dem Kleide zur Unterstützung und es wird hierdurch eine Art Öffnung gebildet, die nicht durchgängig ist, sondern verschlossen durch die vorliegenden Mauer, die deshalb nicht unpassend eine blinde Öffnung heißt" (VI,12,S.330).

Auch wenn Alberti die Einheit der Differenz von Haus und Stadt mit Hilfe des re-entry versucht hat zu denken, so hat er es doch vermieden, die dahinter steckende Differenz von Innen und Außen als Einheit zu denken. Die koppelte er nämlich an die Unterscheidung von privat und öffentlich, so daß das Haus das Innen das Private und die Stadt das Außen das Öffentliche ist. Der Renaissance Palast bildet so mit seinem Atrium im Inneren des Hauses ein Außen ab. Alberti geht es jedoch vornehmlich um die andere Seite, d.h. die Frage, in welcher Form das Innen, das Private im Außen, im Öffentlichen verwirklicht werden kann.

 Der Portikus ist für Alberti die entsprechende Form: "Ich meine, daß die Portikus und das Vestibule nicht so sehr der Dienerschaft wegen, (...) sondern allen Bürgern zuliebe erfunden worden sei" (V,2,S.223).

 

 

Findelhaus von Brunelleschi

 

Der Portikus wird also bei Alberti nicht nur funktional gesehen, sondern wird, indem er zu einem öffentlichen Raum erklärt wird, als Ausdruck der Teilhabe der Privatperson am Gemeinschaftsleben verstanden; der Portikus als eine Zwischenzone von privat und öffentlich, der die Wechselwirkung von Individuum und Gesellschaft widerspiegelt. Gleichzeitig gibt es aber auch eine Wechselbeziehung zwischen dem Haus und der Stadt: "Portikus und Vestibule wird durch den Eingang geziert werden. Der Eingang wird sowohl durch die Straße geziert, auf welche er sich öffnet, als auch durch die würdige Ausstattung, welche er selbst erhält" (V,2,S.223).

Der Eingang wird also sowohl durch die Straße geschmückt, als daß er auch durch seinen Schmuck die Straße schmückt. Die Blindöffnungen nun ermöglichen den Bau von vorgetäuschten Portiken. Die Säulen treten nur zu einem Teil aus der Wand heraus und suggerieren auf der Fläche einen Portikus - er wird symbolisch repräsentiert. Wie die Erfindung der Zentralperspektive das Verhältnis von Fläche und Raum thematisiert, die Bildfläche raumaktiv wird, so bekommt jetzt die Wand ein Illusionsfenster. Es ist ein dargestellter Raum. Die Wand wird zu einer Membran, die Teilhabe am Raum hat. Wie der räumliche Portikus an den öffentlichen Häusern, wird die Wand mit dem vorgetäuschten Portikus v.a. an den Privathäusern zu einer Repräsentationsfläche, einer sprachlichen Artikulation der Teilhabe an der Gemeinschaft.

Die Frage nach der Angemessenheit der Mittel erklärt sich dabei für Alberti aus dem sozialen Zusammenhang: "Ich billige jene nicht, welche den Häusern der Privatleute Zinnen und Mauerspitzen aufsetzen. Das gehört nämlich zu einer Burg, und hauptsächlich zu jener der Gewaltherrscher, hat aber mit friedlichen Bürgern und einem wohlbestellten Gemeinwesen nichts zu tun, da sie ja ein Zeichen gehegter Furcht oder begangenen Frevels sind" (IX,4,S.489).