STADT ALS PROGRAMM - REM KOOLHAAS

Robert Venturi hatte am Strip von Las Vegas eine post-architektonische Stadtarchitektur beschrieben, in der der Stadtraum nur noch durch Zeichen definiert wird. Wird die Haut vom Körper abgelöst, wird die Oberfläche flexibel und austauschbar. Architektur wird Kulisse; ohne raumbildende Wirkung. Da die Wand, das basale Element der Architektur, nicht mehr architektonisch ausformuliert werden muss, verschwindet die Architektur als Ganzes. Wie dann aber Stadt zu verstehen ist, versucht Rem Koolhaas zu untersuchen. Bei Venturi hieß es nur kurz: "Wenn man die Zeichen wegnimmt, gibt es keine Stadt mehr". Koolhaas präzisiert diesen Gedanken der "Nicht-Stadt", denn "was diese Erfahrung so irritierend und (für Architekten) so beschämend macht, sind das sture Beharrungsvermögen der Stadt und ihre offenkundige Vitalität" (Urbanismus). Indem er aus der Stadt alles Architektonische ausklammert, definiert er eine "nicht-architektonische Stadt", die nur noch als Programm existiert. Stadt ohne Architektur und ohne Zeichen ist Programm, und will man die heutige Stadt begreifen, muss man ihr Programm begreifen und sie vom Programm her entwickeln.

Diesen Gedanken hat Koolhaas in seinem 1978 erschienen Buch entwickelt. In dem Freizeitpark auf Coney Island glaubt Koolhaas den Archetyp einer solchen Stadt, die aus einer puren Akkumulation von Programm besteht, zu erkennen. In der radikalen

Künstlichkeit des Freizeitparks erkennt Koolhaas förmlich eine neue Möglichkeit menschlicher Existenz. Der Freizeitpark als Typus einer Festarchitektur ist durch den ephemeren Charakter der Bauten, der Architektur gekennzeichnet. Die programmatische Kraft einer solchen Anlage wird aus dem Leben entwickelt, ohne auf Architektur im klassischen Sinn zurückgreifen zu müssen.

Für Rem Koolhaas ist Manhattan ein solcher Rummelplatz, der zur Stadt wurde. In den Wolkenkratzern sieht er die Komprimierung von Programm und Funktion. Der Wolkenkratzer ist nur der Behälter á la Venturi, in dem durch eine ungeheurige Kompression von Programm, ständig Überlagerungen stattfinden und die Kollision des Lebens sich ungebremst weiter entwickeln und verwirklichen kann.

Zur Verwirklichung einer solchen Stadt sind drei Bedingungen notwendig:

Ein einfachesStraßenraster
Ein Minimum an Architektur
Ein Maximum an Programm 

Architektur ist für Koolhaas das Hindernis für Urbanismus: "Geblieben ist uns eine Welt ohne Urbanismus – nur noch Architektur, Architektur und nochmals Architektur. Das Verführerische an Architektur ist ihre Akkuratheit; sie definiert, schließt aus, trennt vom "Rest" – aber sie verzehrt auch: Sie nutzt und erschöpft jene Möglichkeiten, die im Grunde bloß der Urbanismus hervorbringen kann, Möglichkeiten, die nur die besondere Phantasie des Urbanismus ersinnen und wiederbeleben kann. Der Tod des Urbanismus – unser Rückzug in die parasitäre Sicherheit der Architektur – erzeugt eine immanente Katastrophe: immer mehr Substanz wird in absterbende Wurzeln gepumpt" (Koolhaas 1995).

Der "neue Urbanismus" zielt nicht darauf ab, den öffentlichen, architektonischen oder städtischen Raum zu gestalten, sondern zielt in erster Linie auf die Neugestaltung des "Psychologischen Raums" ab. Der "neue Urbanismus" " wird Unsicherheit stiften; er wird sich nicht länger mit der Planung mehr oder weniger dauerhafter Objekte befassen, sondern bestimmte Areale mit all dem düngen, was möglich sein könnte; er wird nicht mehr auf feste Strukturen zielen, sondern auf die Bereitstellung von Möglichkeitsfeldern für Prozesse, die sich dagegen sträuben, eine endgültige Form anzunehmen; es wird ihm nicht mehr um akribische Definition gehen, um die Festlegung von Grenzen, sondern um die Erweiterung