Alle Veränderungen bleiben der Form äußerlich. Sie orientieren sich an Fremdreferenzen (technische Klangverbesserung, Verkaufszahlen, Chronologie) und greifen nicht in den Song selber, in seine Form, d.h. in seine ornamentale Sinnkonstruktion ein.

Der Remix-Longplayer wird demgegenüber komplizierter und damit auch konzeptueller. Schon die Veröffentlichung alter B-Seiten auf einem Longplayer von den Pet Shop Boys zeigt solch eine erste Konzeptualisierung an, obwohl die Songs selber nicht überarbeitet worden sind und auch hier eine chronologische Ordnung benutzt wurde. Die Konzeption besteht nun nicht in dem Auswahlkriterium B-Seite, sondern darin, daß sie ihr altes Konzept, dem marktabhängigen Hit auf der A-Seite immer die marktunabhängige aber innovative Komposition entgegenzustellen, nochmals konzeptualisieren. Eine Werkschau der B-Seiten zeigt also nicht einfach altes, minderwertiges B-Seiten-Material, sondern buchstäblich die andere Seite der Pet Shop Boys, die aber von den Pet Shop Boys immer schon parallel mitgeführt worden ist und auf den B-Seiten wie üblich eher in einer gewissen Potentialität verharrte.

Bei der Remix-Single muss man zwischen dem Fremd-Remix, bei dem der Remixer fremdes Musikmaterial benutzt, und dem Eigen-Remix, bei dem der Remixer eigenes Musikmaterial benutzt, unterscheiden.

Der Fremd-Remix ist strukturell mit der traditionellen Form der Cover-Version vergleichbar. Beide greifen durch Veränderungen im Material (Stimme, Tempi, Harmonie, Rhythmus, etc.) in den inneren ornamentales Sinnzusammenhang des Musikstückes ein. Der Unterschied ist wohl eher im quantitativen Bereich auszumachen: Der Remix der heutigen DJ-Kultur Ulf Poschardt: DJ Culture. Diskjockeys und Popkultur geht sehr viel freier mit dem Ausgangsmaterial um als die traditionellen Cover-Versions, d.h. der Dekonstruktionsdurchgriff auf das Material ist stärker. Doch beide Male wird an der Form angesetzt. Beide Male werden die zu einer Form fest gekoppelten Musik-Elemente (Töne, Klänge, Rhythmik, Tempi, Instrumentation, etc.) voneinander entkoppelt. Die so nunmehr lose gekoppelten Elemente bilden das Medium, aus dem eine neue Form konstruiert werden kann.

Nichts anderes wird auch beim Eigen-Remix gemacht, nur mit dem Unterschied, daß das zu remixende, d.h. zu dekonstruierende Ausgangsmaterial vom Remixenden selbst stammt. Von ihm ist somit eine Selbstbeobachtung gefordert. Der Remixer muss nicht nur Abstand von seinem Werk nehmen, sondern muss es auch de-kon-struieren, d.h. ab-bauen bevor er ein neues auf-baut. Er muss die Elemente der Form, die er vorher mühsam konstruiert hatte, wieder entkoppeln, um so zu einem neuen formbaren 

Medium zu gelangen. Dies ist mühsam, aber die detaillierte Selbstreflexion führt natürlich immer wieder zu einer immer tiefer greifenden Durchdringung des eigenen Werkentwurfes. Daraus wiederum resultiert eine wachsende Sensibilität und Genauigkeit im Umgang mit zukünftigen Arbeiten. Die Künstler geben dem Werk Richtung und Perspektive. Dem Publikum wird damit auch ein Schlüssel zum Verständnis und für die Kulturkritiker zur Dekodierung überreicht. Die Absichten und eigenen Zielsetzungen werden in der Werkschau als gemeinsamer Nenner wahrnehmbar.

Heinz von Förster würde hier von einer nicht-trivialen Maschine sprechen, die ihren output immer als neuen input verwendet und sich einem bestimmten Eigenwert annähert. Besser könnte man hier auch von einem autopoietischen System sprechen. Ein System, das die Elemente aus denen es besteht, selbst produziert und reproduziert.

Ins Oszillieren gebracht wird solch ein Eigen-Remix durch die Kombination mit einem Auftrags-Remix. Auftrags-Remix meint, daß der Musiker einen anderen ausgesuchten Musiker beauftragt, sein Musikstück zu remixen. Diesen Fremd-Remix kann er nun mit dem Original und seinem Eigen-Remix in Beziehung setzen oder wieder als neues Ausgangsmaterial benutzen für einen neuen Remix und so weiter...