Abschließend muss noch einmal auf die Bedeutung der Website als Form im Medium des Internets für das Prinzip ORNAMENTALES ENTWERFEN hingewiesen werden.

ORNAMENTALES ENTWERFEN stellt sich wie die Theoriekonstruktion selber auf Zirkularität und komplexe Vernetzung ein: Theorie und Entwurf werden zum Hypertext. Anspruchsvolle Theorien sind nach einem Wort von Niklas Luhmann "mehrgipfelige Unternehmungen", d.h. sie arbeiten gleichzeitig mit mehreren Einstiegen, Argumentationslinien und Theorieschwerpunkten. Die Systemtheorie selber ist zirkulär aufgebaut, so daß jeder Beginn den Rest der Theorie im Grunde bereits voraussetzt und daß jeder Beginn aus Entscheidungen beruht, die nicht aufgezeigt werden können, ohne dem Beginn einen anderen Beginn vorauszuschicken. Theorie hat in diesem Sinne keinen Anfang und kein Ende, so daß ganze Theoriekomplexe als Teile in anderen Theoriekomplexen eingelassen sind und daß man bei der Entfaltung eines Komplexes die jeweils anderen entsprechend mitführen müsste.

Das Internet als Medium der Diplomarbeit ist genau wie die Systemtheorie und ORNAMENTALES ENTWERFEN durch ein heterarchisches Ordnungssystem strukturiert. Durch den "link" ist es möglich, zwischen zwei sich im Netz befindlichen Knoten, die für einen Beobachter an völlig verschiedenen Enden des Netzes liegen können, eine Beziehung herzustellen. Dieses Prinzip der Heterarchie, daß jeder Impuls nur in seiner Nachbarschaft 

aufgenommen und verarbeitet wird, ermöglicht ein Netzwerk höherer Ordnung, in dem Zirkularitäten möglich sind, die zu Ereignissequenzen führen, die nach gängigen Erwartungen nur als inkonsistent und darum auch als unvorhersehbar beschrieben werden können.

Die Strukturgleichheit von Systemtheorie und ORNAMENTALEM ENTWERFEN mit dem Internet ermöglicht nicht nur die Zirkularität, Beginnlosigkeit, Mehrgipfeligkeit und labyrinthische Verschachtelung des Theoriebaus und des Entwurfsprozesses zum Ausdruck zu bringen, sondern ist förmlich die Bedingung, daß sich ORNAMENTALES ENTWERFEN erst voll entfalten kann. Unter Hypertextbedingungen wird das Entwerfen zu einem Geschehen der produktiven Vernetzung assoziativer Komplexe. Die vielfältigen Beziehungen, die zwischen den verschiedenen Entwurfsbeobachtungen bestehen, lassen sich durch Hyperlinks festhalten und repräsentieren. Der Leser/Rezipient wiederum komponiert den Gegenstand seiner Lektüre durch aktive Selektion der vorgegebenen Links. Das Lesen (auch das Lesen von Entwürfen) ist nicht länger nur der Vorgang der Rezeption einer fixen, linear abzuarbeitenden Sequenz, sondern wird zu einem Prozess der mehrdimensionalen, kreativen Interaktion zwischen Leser, Autor und Text/Entwurf. Hypertextuelles Schreiben, Entwerfen und Denken vollzieht sich in unmittelbarer Interaktion mit dem Schreiben, Entwerfen und Denken anderer Menschen. Da die Diplomarbeit als work-in-progress anzusehen ist, vollzieht sich der ständige Entwicklungsprozess 

der Arbeit im Modus der Öffentlichkeit, d.h. in enger Kooperation mit anderen Netznutzern, die sich mit ihren Kommentaren in die laufende Werkgenese einschalten. Da prinzipiell jede im World Wide Web zugängliche Datei - sei es Text, Grafik oder Sound - als Baustein in das eigene Schreiben oder Entwerfen integriert werden kann, sind die Interaktionsmöglichkeiten unendlich. In diesem grenzenlosen Verweisungssystem tritt die Arbeit in ein Tauschverhältnis ein: Sie fordert vom Rezipienten ein Feed-back in Form von Bewertungsfragen und Bewertungsaussagen und bietet sich dafür selbst als Material für den Rezipienten an. Jeder Buchstabe eines Wortes, jedes Pixel einer Grafik werden als Material angeboten, aus dem der Rezipient seinen eigenen Remix entwerfen kann. Der Entwurfsprozess, der nach Entwurfsaufgabe, Entwurfsstrategie und Entwurfsdarstellung einen Abschluss gefunden hat, kann im digitalen Medium einfacher und radikaler aufgebrochen werden, oder anders formuliert: Die Möglichkeiten der Dekonstruktionsdurchgriffe sind vielfältiger als bei traditionellen Printmedien. Zudem bietet das Internet die Möglichkeit der publizistischen Unabhängigkeit von eben diesen Printmedien und den in ihnen vorherrschenden Architekturdiskursen. Statt dessen können sich eigene, neue Netzwerke herausbilden.