Das Ornament in der Systemtheorie Luhmanns

Die Bezeichnung ORNAMENTALES ENTWERFEN knüpft an den Begriff des Ornaments an, wie er von Niklas Luhmann in seinem Buch "Die Kunst der Gesellschaft" verwendet worden ist. Dort wird das Ornament ganz fundamental als die Grundform des Entwickelns von Formen aus Formen verstanden. Ornamente sind in diesem Sinne Rekursionen, Rückgriffe und Vorgriffe, die sich als solche fortsetzen. Sie lassen die Einheit von Redundanz und Varietät erscheinen. Dabei werden die Übergänge unkenntlich gemacht, zumindest nicht als Brüche betont, denn jede Stelle im Ornament ist zugleich die andere einer anderen. Immer ist der laufende Anschluss das Prinzip. Das Ornament erzeugt seinen eigenen imaginären Raum durch eine laufende Verwandlung von Formgrenzen in mehrdeutige Übergänge. Dabei liegt in der Sequenz von Operationen immer schon ein Trend zur "Morphogenese". Von hier aus gesehen wird die erreichbare Formenkomplexität des Kunstwerkes zu einer wichtigen, ja zur entscheidenden Variable. Die jeweils andere Seite jeder Form erfordert Entscheidungen über Formen mit erneut anderen Seiten, so dass es zum Problem wird, wie viel Verschiedenheit noch durch rückläufige Stimmigkeit eingezogen und kontrolliert werden kann.

Das Kunstwerk nun besteht aus solch einer ornamentalen Verschränkung von Operationen und die Operationen sind Beobachtungen. 

Das Kunstwerk wird begriffen als eine Steuerung von Beobachtungen, auch eine Steuerung der Beobachtung der Beobachtung anderer. Man will sehen, was der Künstler beobachtet hat, als er so und nicht anders entschieden hatte, und umgekehrt will der Künstler die Beobachtung des Betrachters lenken, er will sie nicht dem völligen Belieben überlassen, sondern er will sie auf die besondere Form seines Kunstwerkes hinlenken und durch diese Form steuern. Es muss für jede Form (d.h. für jede Unterscheidung) innerhalb des Kunstwerks festgestellt werden, ob sie passt oder nicht, ob sie Anschlussfähigkeit im Kunstwerk produziert oder nicht. Wenn dies gelingt, generiert das Kunstwerk eine eigene Ordnung mit einer eigenen Notwendigkeit - und es handelt sich um Kommunikation, weil diese Ordnung Information enthält, die mitgeteilt wurde und verstanden werden muss.

Eine systemtheoretische Betrachtung des architektonischen Entwurfsprozesses arbeitet mit sehr abstrakten Begrifflichkeiten, die fest in der Systemtheorie verankert sind und sich in einer Vielzahl von Relationen und wechselseitigen Abhängigkeiten mit anderen Begriffen befinden. Die Theorie arbeitet mit einer ständigen internen Verweisungsstruktur, in der jeder zusätzliche Begriff die Anfangsbegriffe spezifiziert und verarbeitet. Diese Zirkularität der Konstruktion wird innerhalb der Theorie erklärt und begründet; sie ist einer der Gründe ihrer Leistungsfähigkeit, aber zugleich erschwert sie die erste Begegnung mit ihren Kategorien. 

Deshalb ist es notwendig, sich mit den Grundvoraussetzungen und zentralen Begrifflichkeiten der Systemtheorie vertraut zu machen. Dabei geht es in der Diplomarbeit nicht um eine strikt wissenschaftliche Exegese der Systemtheorie im Ganzen, sondern v.a. um eine  ornamentale Verknüpfung der abstrakten systemtheoretischen Begrifflichkeiten mit der sinnlich anschaulichen Form der Architektur. Begriffe wie Beobachtung, Selbstorganisation, Wahrnehmung und Kommunikation werden dann eine wichtige Vermittlungsstellung einnehmen. Dies trifft besonders auf den Begriff der zu, der nicht mehr in dem Gegensatzpaar Form-Inhalt verankert ist, sondern in dem Gegensatzpaar Form-Medium eine neue Qualität bekommt. Dieser "andere" Formbegriff wird dann auch die Vorstellung vom architektonischen Formbildungsprozess verändern.